Forschungsprofil

Forschungsprojekte am Lehrstuhl von Prof. Yelle befassen sich u.a. mit der Geschichte des politischen Säkularismus, den Begriffsgeschichten von Säkularisierung und Religion, sowie mit der Rolle von Religion im Anthropozän. Forschung findet u.a. auch in Form von Dissertationen und Habilitationen statt.

Laufende Dissertationsprojekte

Olga Shevchenko

The proposed research is focused on the formation of the contemporary tradition of Jewish pilgrimage to the city of Uman, Ukraine. I am particularly interested in examining and comparing the pilgrims’ views on the meanings of the rituals and practices they perform during their religious travel. The collection and analysis of data will be based on the principles of constructivist ethnography and grounded theory. The ethnographic account of the female pilgrims’ experiences will be of special value due to the scarcity of previous research. The findings of this study are expected to contribute to understanding of the transformations and continuity of the tradition of Jewish pilgrimages.

Chandra Chiara Ehm

Chandra Chiara Ehm's doctoral research "Yellow Hats, Indian Pandits, and Practice in the Geluk Order" focuses on scholasticism in Buddhist monastic communities and how these encounter processes of social change, modernisation, and secularisation affect them in direct and indirect ways. In her doctoral research, the approach is interdisciplinary and comparative. She aims to combine a philological skillset with philosophical texts, particularly the Abhisamayālaṅkāra, with fieldwork in contemporary monastic communities in Tibet, Nepal, and India.

Mehdi Mirabian Tabar

In Iran, the nineteenth century, which coincided with the reign of the Qajar dynasty, was a period of profound changes in the economy, politics, and culture. The seeds of constitutional thought in Iran were also sown in the early nineteenth century when a group of intellectuals introduced modern concepts and ideas—such as the rule of law, limited monarchy, freedom, and equality—to the country. The main objective of the constitutional movement was to curtail the Shah’s absolute power by making a set of laws modeled after European ones—that is, a state based on rule of law. This was not something that could be easily accomplished for two reasons: First, the Shah opposed any limitations on his absolute power; And second, the Shiite clerics considered the idea of law making to be contrary to Islam. However, what made the situation worse for the constitutionalists was the collaboration between the shahs and the Shi῾ite clerics, which had its roots in the Safavid period (1501-1736) and reached its peak during the Qajar period. With the gradual expansion of constitutional thought in Iran, this collaboration turned a coalition that opposed constitutionalism and advocated the old regime. This study aims to investigate this coalition as a theologico-political obstacle to the establishment of modern state in Iran: a state based on laws originated from the unassisted human reason in a community governed by God’s law and His sovereign will.

Silviu-Vasile Roșu

In diesem Promotionsvorhaben wird nach dem der Bedeutung der religiösen Kategorie „Opfer“ im Diskurs der englischen protestantischen Missionare im neunzehnten Jahrhundert in Nordindien gefragt. Das Hauptargument besagt, dass die Missionare eine schon ältere antisakrifizielle Theologie vertreten haben, die sich bereits bis auf die ersten theologischen Abhandlungen der Kirche zurückführen lässt, und die in den scharfen Auseinandersetzungen mit dem als einheitlich betrachteten Hinduismus auch auf dessen Opferideologie und ‑rituale angewandt wurde. Dabei werden vor allem drei Aspekte untersucht: (1) wie sich die Missionare zum römisch-katholischen Verständnis der Eucharistie als Opfer geäußert haben; (2) wie sie die Opferreligion bzw. -rituale des Hinduismus abwertend wahrgenommen haben; (3) wie die opferbezogene, liturgische bzw. priesterliche Terminologie in dem neutestamentlichen Buch Hebräerbrief in den zwei Versionen der Sanskrit-Bibel aus den Jahren 1808 und 1848/1851 durch drei von diesen Missionaren ins Sanskrit übersetzt wurde. Zu diesem Zwecke wird das theologische und kulturelle Erbe der Missionare erforscht, welches man in ihren Werken, Zeitungsartikeln, Briefen, Berichten u.a. finden kann.

Wenzel Braunfels

In meiner Dissertation untersuche ich Schleiermachers Platon-Übersetzungsprojekt auf seine Intention und Auswirkungen hin. Es handelt sich ausdrücklich nicht um eine philologische Übersetzungskritik; vielmehr stehen die hermeneutisch-kritischen Einleitungen, die Schleiermacher zu den Platonischen Dialogen verfasst hat, im Visier. Vier miteinander verbundene Themen stehen Fokus:

  1. Die Arbeit am Platon geht Schleiermachers Hermeneutik-Vorlesungen unmittelbar voraus und hat diese entschieden geprägt. inwieweit Platon Schleiermachers hermeneutische Methode, die er in der Folge insbesondere in Bezug auf die Auslesung des Neuen Testaments zu homiletischen Zwecken gelehrt hat, gilt es herauszuarbeiten.
  2. In der allgemeinen Einleitung verwendet Schleiermacher den umfangreichsten Teil auf die Widerlegung aller Erklärungsansätze zur Unterscheidung von Exoterik und Esoterik bei Platon. Die Absage an diese Unterscheidung wirkt auch über ihre öffentlich dargelegte Wiederentdeckung durch Leo Strauss in der Mitte des 20. Jahrhunderts nachhaltig in der akademischen Philosophie.
  3. Schleiermacher hat, wie vor ihm kein anderer, radikal die Authentizitätsfrage in Bezug auf die Platonischen Dialoge gestellt und damit bis heute fortgeführte Debatten gestiftet, die allerdings nicht auf gedanklicher bzw. philosophischer, sondern auf sprachlicher bzw. philologischer Ebene geführt werden.
  4. Schleiermachers progressivistische hermeneutische Maßgabe, einen Autor besser zu verstehen, als er sich selbst verstand, führt unter Berücksichtigung der genannten Punkte und Schleiermachers Selbstverständnis als protestantischer Theologe, mithin also seinem Offenbarungsglauben, zu der Frage, inwiefern Schleiermacher Platon in philosophischer Hinsicht nicht verstehen konnte oder wollte, und inwiefern sich dies in seiner Übersetzung niederschlägt.

Abgeschlossene Dissertationen

Dr. Sabine Exner-Krikorian

Sabine Exner-Krikorian untersucht in ihrer Dissertation den Diskurs um die gleichgeschlechtliche Ehe in Deutschland von 1998 bis 2017. Hierfür erweitert sie den Ansatz der diskursiven Religionswissenschaft mit den sozial-konstruktivistischen theoretischen Prämissen und dem Analyseinstrumentarium der Wissenssoziologischen Diskursanalyse (WDA) nach Reiner Keller. Im Detail wird gezeigt, wie die Diskursakteure in diesem Aushandlungsprozess um die Deutungshoheit von Ehe die Prämisse einer angenommenen Moderne, die Dichotomie religiös/säkular sowie Narrative von und über Religion(en) als diskursive Strategien einsetzen und eine Opposition von religiöser Gegnerschaft und säkularer Befürwortung als Selbst- und Fremdzuschreibung einsetzen. Die Arbeit leistet einen grundlegenden Beitrag für die Erforschung zeitgenössischer Deutungskämpfe, die unter den Bedingungen einer angenommenen Moderne und ihrer diskursstrukturierenden Oppositionsbildung von religiös vs. säkular stattfinden.

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Abgeschlossene Habilitationen

PD Dr. Lorenz Trein

Im Feld der kritischen Säkularismus-Studien zeichnet sich seit einiger Zeit ein Interesse an einem genealogischen Säkularisierungsbegriff ab (zum Beispiel in den Arbeiten von Talal Asad und Gil Anidjar), um säkulare Diskurse und Praktiken als Fortschreibung nicht mehr als solcher erkannter, weil säkularisierter religiös-theologischer Unterscheidungen und Narrative zu erkunden. In dieser stark durch den Postkolonialismus und Bezugnahmen auf den Islam und die Frage nach dem Verhältnis der Religionen geprägten Debatte finden sich immer wieder Verweise in eine ältere, in erster Linie deutschsprachige Diskussion über Neuzeit und säkularisierte Eschatologie (zum Beispiel bei Karl Löwith, Hans Blumenberg, Rudolf Bultmann, Wolfhart Pannenberg), die insbesondere in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle spielte und in den 1970er Jahren abgeebbt ist. Für die aktuelle Debatte ist die Frage wichtig, ob der ‚Protestantismus‘ Vorstellungen und Praktiken von Religion hervorgebracht hat, die ein Verständnis anderer Religionen erschweren. Während sich die ältere Debatte über Säkularisierung, Moderne und Christentum für die aktuelle Diskussion über die Kategorie des Säkularen als außerordentlich produktiv erweist, sind historische Bezüge und ‚Unbestimmtheiten‘ (Blumenberg) in der älteren Debatte hier bislang kaum in den Blick gekommen. Genealogisch und begriffshistorisch führt die aktuelle Kritik der Kategorie des Säkularen und deren Herausforderungen für ein Verständnis anderer Religionen in Debatten zum Zusammenhang von Historismus und Religionsgeschichte in der Zeit um den Ersten Weltkrieg zurück sowie in eine im späten 19. Jahrhundert einsetzende Kritik der theologischen und geschichtsphilosophischen Annahme, das Reich Gottes lasse sich in der Geschichte der Welt erreichen und verwirklichen. Das Projekt verbindet begriffs- und diskursgeschichtliche Perspektiven auf den Zusammenhang von Säkularisierung und Religionsgeschichte mit einer durch Niklas Luhmann inspirierten wissenssoziologischen Reflexion auf Unterscheidungen im Säkularisierungsdiskurs. Neben der religiös/säkular Unterscheidung werden ‚Kultur‘ und ‚Geschichte‘ als Reflexions- und Beschreibungsrahmen von Religion sowie das Nachleben der Säkularisierungsdebatte in Diskussionen zum Klimawandel und aktuellen Protestbewegungen erkundet.

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Prof. Dr. Matthias Egeler

This monograph traces the history of one of the most prominent types of geographical myths of the North-West Atlantic Ocean: transmarine otherworlds of blessedness and immortality. Taking the mythologization of the Viking Age discovery of North America in the earliest extant account of Vínland (‘Wine-Land’) and the Norse transmarine otherworlds of Hvítramannaland (‘The Land of White Men’) and the Ódáinsakr/Glæsisvellir (‘Field of the Not-Dead’/‘Shining Fields’) as its starting point, the book explores the historical entanglements of these imaginative places in a wider European context. It follows how these Norse otherworld myths adopt, adapt, and transform concepts from early Irish vernacular tradition and Medieval Latin geographical literature, and pursues their connection to the geographical mythology of classical antiquity. In doing so, it shows how myths as far distant in time and space as Homer’s Elysian Plain and the transmarine otherworlds of the Norse are connected by a continuous history of creative processes of adaptation and reinterpretation. Furthermore, viewing this material as a whole, the question arises as to whether the Norse mythologization of the North Atlantic might not only have accompanied the Norse westward expansion that led to the discovery of North America, but might even have been among the factors that induced it.

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