Prof. Katharina Kraus, Johns Hopkins University
Nach Kant folgt die Vernunft einem obersten Prinzip, das Kant selbst folgendermaßen formuliert: „wenn das Bedingte gegeben ist, so sei auch die ganze Reihe einander untergeordneter Bedingungen, die mithin selbst unbedingt ist, gegeben“ (Kritik der reinen Vernunft, A307-8/B364). Es ist umstritten, ob dieses Prinzip metaphysische Schlussfolgerungen über eine fundamentale Realität zulässt. Insbesondere scheint Kants Kritik an der traditionellen Metaphysik nahezulegen, dass das Vernunftprinzip nur heuristische Fiktionen über eine fundamentale Realität erzeugt, die keinen Bezug auf etwas Existierendes haben. Entgegen dieser fiktionalen Lesart wird zunehmend eine metaphysische Lesart vertreten. Diese Lesart hält eine metaphysische Deutung des Vernunftprinzips für möglich, ohne Kants Kritik der Metaphysik zu untergraben.